Netzbetreiber warnen: Kohleausstieg gefährdet Versorgungssicherheit
- Es besteht europaweiter Handlungsbedarf bei einem möglichen Zerfall des europäischen Verbundnetzes (System-Split):
„Bei hohen Frequenzgradienten reichen die existierenden Notmaßnahmen … für System-Split-Fälle wie 2006 nicht aus, um … einen (Teil-) Netzzusammenbruch zu vermeiden. Dieser Aspekt tritt … unabhängig vom Kohleausstieg auf, wird durch diesen aber forciert.“
- Durch die Abschaltung konventioneller Kraftwerke ist ein Zubau an Blindleistungs-kompensationsanlagen dringend erforderlich. Es kann daher notwendig werden, Kohlekraftwerke weiter zu betreiben.
- 2027/28 ist Deutschland weiterhin Nettoexporteur, aber bei geringer Wind- und PV-Einspeisung und hoher Last treten hohe Importe auf, da es zu wenig deutsche Kraftwerke geben wird. Laut aktueller Prognose müssen an über 18 Tagen pro Jahr bis zu 20 GW importiert werden. Dabei kann es zu Netzengpässen kommen, die von der Netzreserve abgedeckt werden müssen. Redispatchpotentiale in Marktkraftwerken werden nicht mehr vorhanden sein.
Details:https://www.netztransparenz.de/portals/1/20201222%204UeNB%20Bericht_%c2%a7%2034%20KVBG.pdf
⇒ Einschätzung/Empfehlung ELBE ENERGIE:
Der Bericht vom 22.12.20 bezieht sich im ersten Punkt auf ein Ereignis aus 2006, als EON „aus Versehen“ eine Leitung über der Ems abgeschaltete und das europäische Verbundnetz daraufhin in zwei Teile zerfiel. Dies führte zu einem mehrtägigen Stromausfall bei mehr als 10 Millionen europäischen Haushalten.
Nur wenige Tage nach Fertigstellung des Berichts kam es am 08.01.21 erneut zu einem Zerfall des Stromnetzes (vgl. ELBE-ENERGIE Newsletter Februar 2021) durch einen Fehler in einem kroatischen Umspannwerk, der „das europäische Stromnetz an seine Grenzen gebracht hat“ (Zitat Übertragungsnetzbetreiber APG, Österreich).
Zudem häufen sich in letzter Zeit Ereignisse, die einen System-Split fast ausgelöst hätten. So hatte Anfang 2019 ein fehlerhafter TenneT-Netzregler an der deutsch-österreichischen Grenze fast zu einem europaweiten Blackout geführt (vgl. ELBE-ENERGIE Newsletter Februar 2019). Auch im Juni 2019 (vgl. ELBE-ENERGIE Newsletter November 2020) konnten nur knapp großflächige Stromausfälle vermeiden.
Hier besteht dringender Handlungsbedarf bei der Nachrüstung vor allem ausländischer Erzeugungsanlagen für den Fall von Frequenzabweichungen.
Fehlende Blindleistung ist weltweit die häufigste Ursache für Netzzusammenbrüche. Auch hier besteht daher akuter Handlungsbedarf. Die Kosten für neue Blindleistungskompensationsanlagen werden über die Netzentgelte umgelegt.
Die gewollte zunehmende Importabhängigkeit ist bezüglich Netzstabilität, Umwelt- und Sicherheitsstandards kritisch zu beurteilen. Ganz abgesehen davon, ob es sinnvoll ist, bei geringen oder negativen Preisen Strom zu exportieren und bei hohen Preisen zu importieren. Die noch positive Handelsbilanz wird sich daher in absehbarer Zeit umkehren und auch hier zu weiter steigenden Kosten führen.
Kritische Situationen im Stromnetz scheinen an Häufigkeit und Schwere zuzunehmen. Die Kosten werden weiter steigen. Prüfen Sie, welche Maßnahmen zur unterbrechungsfreien Stromversorgung oder Eigenerzeugung die Sicherheit ihres Unternehmens erhöhen. Wir beraten Sie gerne.